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Deutschlandfunk71114
Schabowskis Irrtum
Hertle: Mauerfall
Mauerfall 9.11.1989
"Wann?" und "Sofort"
Ehrman /Brinkmann
Presse Wien 29.03.14
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Buchauszug Mauerfall
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Mauerfall TAZ 5.10.0
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Impressum
Seite Dienstag, 4. Februar 2014
Die Serie: 50 Jahre in 50 Schlagzeilen
Teil 28 – 1989 öffnet sich die Grenze
Lesen Sie morgen: Golfkrieg 1991 - und der Rosenmontagszug fällt aus
„DieMauer ist auf“ prangte auf
der Seite 1. Darüber: „Ein historischer
Tag“. Und auch imInnenteil
des EXPRESS vom10. November
1989 konnte man die Fassungslosigkeit
und Freude der Redakteure
Zeile für Zeile spüren. „Nichtmehr
eingesperrt! Das Ende vonMauer
und Stacheldraht. Schabowski
ließ die Bombe platzen“, wurden
die Artikel überschrieben. Konnte
das wirklich wahr sein? In der
Nacht war der „Eiserne Vorhang“
gefallen. Dank des Freiheitswillens
von Hunderttausenden DDRBürgern
–und dank eines Irrtums,
der durch eine einzige banale Frage
ausgelöst wurde …
Von CHRISTIANWIERMER
S Der Ort: Mohrenstraße 36/37 in Berlin-
Mitte. Vom Internationalen Pressezentrum
ging am 9. November 1989 aus wurde
Weltgeschichte geschrieben.Heute hat hier
das Bundesjustizministerium seinen Sitz.
S Die Personen: Peter
Brinkmann arbeitet
weiter als Journalist
und Günter Schabowski
feierte heute vor
einem Monat seinen
85. Geburtstag. Ironie
der Geschichte: Schabowski,
der nach der
Wende jahrelang am ehemaligen
Todestreifen an der
Berliner Mauer lebte, zog in die Nähe des
Ku'damms – ausgerechnet nach West-Berlin
also. In der jüngeren Zeit erlitt der frühere
SED-Funktionär drei Schlaganfälle
und drei Herzinfarkte. Schabowski, dermit
der Russin Irina (74) verheiratet ist und
zwei Söhne hat, verbringt inzwischen die
meiste Zeit in einem Pflegeheim.
S Der Zettel: Das Dokument, auf dem
Schabowski die Sperrfrist für das Reisegesetz
übersah, wurde 2011 von de UNESCO
zumWelterbe erklärt – obwohl das Original
als verschollen gilt. Eine Kopie liegt heute
im Haus der Geschichte in Bonn aus.
Von PETER BRINKMANN
Die ersten TV-Beobachter sind
schon gegangen. Es ist ihnen
einfach zu langweilig an diesem9.
November 1989 im„Internationalen
Pressezentrum der Deutschen
Demokratischen Republik“ (IPZ).
Bis der Zeiger der Uhr auf 18.53
Uhr vorrückt. Von dieser Sekunde
an wird in der Mohrenstraße
36/37 in Berlin-Mitte Geschichte
geschrieben.Weltgeschichte.
400Meter entfernt tagt das Zentralkomitee
der SED unter Vorsitz
von SED-Generalsekretär Egon
Krenz. Im IPZ hält Politbüro-Mitglied
Günter Schabowski, einer
derwirklichmächtigenMänner in
der DDR, eine Pressekonferenz ab.
Er liest seit 18 Uhr vor, was im ZK
am heutigen 9. November 1989
diskutiertwurde. Es geht umeinen
Parteitag, Veränderungen in der
SED und in der DDR. Vom „Reisegesetz“,
das die letzten 72 Stunden
die Diskussion in der DDR bestimmt
hat, bisher keinWort.
Ich stelle drei Fragen, will noch
eine zum Reisegesetz stellen,
komme aber nicht mehr zum Zug.
Schon verlassen einige den Saal.
Nachrichten? Fehlanzeige. Bis um
18.53 Uhr am 9. November 1989.
Die Frage nach dem Reisegesetz
kommt dann doch noch. Nicht
von mir, sondern von einem Kollegen.
Mein hochgereckter Arm
wird von Schabowski übersehen –
mein Zwischenruf aber bleibt unüberhörbar:
„Ab sofort? Wann?“
Es sollte die wichtigste Frage in
meinen 40 Jahren als Journalist
werden.Manchemeinen, ohne sie
wäre vielleicht die deutsche, die
europäische Geschichte ganz anders
verlaufen.
Doch zunächst Schabowski.
„Privatreisen nach dem Ausland
können ohne Vorliegen von Voraussetzungen
– Reiseanlässe und
Verwandtschaftsverhältnisse –
beantragt werden. Die Genehmigungen
werden kurzfristig erteilt“,
verkündet er. „Die zuständigen
Abteilungen Pass- und Meldewesen
der VPKÄ (Volkspolizeikreisämter,
Red.) in der DDR sind
angewiesen, Visa zur ständigen
Ausreise unverzüglich zu erteilen,
ohne dass dabei noch geltende
Voraussetzungen für eine ständige
Ausreise vorliegen müssen.“
Nur wenigen ist nun die Dimension
der Nachricht klar.
Ich rufe von meinem Platz, den
ich mir zwei Stunden zuvor mit
Hilfe meiner Jacke in der ersten
Reihe links reserviert hatte, dazwischen:
„Ab wann gilt das?“
Schabowski wirkt ratlos, kramt
in seinen Unterlagen. „Das tritt
nach meiner Kenntnis….“, denkt
er laut nach, „ist das sofort, unverzüglich.“
Sofort! Unverzüglich! Was
Schabowski nicht beachtete: Die
Bekanntgabe war mit einer Sperrfrist
für 4 Uhr am 10. November
vorgesehen. Die Kontrolleure an
der Grenze sollten genug Zeit haben,
sich vorzubereiten und immer
noch Ausreisewillige abzuhalten.
Doch Schabowski hatte
gar nicht an der Sitzung des ZK
teilgenommen. Er wusste nichts
von der Sperrfrist.
Um 19.01 Uhr ist die Pressekonferenz
beendet, um19.04 Uhr verbreitet
die DDR-NachrichtenagenturADNden
von Schabowski
verlesenen Text, um19.30Uhr berichtet
die „Aktuelle Kamera“ im
DDR-Fernsehen, um 20 Uhr die
„Tagesschau“.
Um 20.30 Uhr sammeln sich die
ersten Ostberliner am Grenzübergang
Bornholmer Straße. Es wird
eine Massenansammlung. Um
22.30 ruft der diensthabende Chef
der Grenzübergangsstelle seine
Vorgesetzten an und teilt mit: „Es
ist nicht mehr zu halten. Ich stelle
die Kontrollen ein und lasse die
Leute raus.“ Um 0.02 Uhr am 10.
November sind alle Grenzübergänge
in Berlin offen.
Die Mauer - gefallen, die Wiedervereinigung
- greifbar, das Ende
des Kalten Krieges – keine Illusion
mehr. Dem schönsten Irrtum in
der deutschen Geschichte sei
Dank!
Das ist PeterBrinkmann
Die deutsch-deutsche Geschichte
ist das Lebensthema
von Peter Brinkmann (68; Foto).
Der Journalist (u.a. „HamburgerMorgenpost“,
„Welt“,
„Bild“) arbeitete zumZeitpunkt
desMauerfalls als ständiger
Korrespondent in der
i
mann als Korrespondent des
„Berliner Kurier“ über Innenpolitik.
Brinkmann veröffentlichte
in den Jahren vor seinemRuhestand
2010 auch im
EXPRESS. Heute ist er u.a. als
TV-Moderator und Buchautor
tätig.
DDR. Später war er Reporter
imersten Irak-Krieg, wo er –
alsOpfer einer Bombenexplosion
– Besuch von Saddam
Hussein amKrankenbett erhielt.
Zunächst in Bonn, nach
demRegierungsumzug wieder
in Berlin, berichtete Brink-
50Jahre_28_Mauerfall - 31.01.2014 14:45:48 - Verantwortlich:murat.durgut - FreigabeCR:nein - Korrektur:
Waa?ss
bblleeiibbtt
Meine Frage
ließ dieMauer fallen So titelte der EXPRESS am10. November 1989.
Günter Schabowski verkündet,
dass die Ausreise-Genehmigungen
aus der DDR
„sofort, unverzüglich“ erteilt
werden. Fotos: dpa, privat
Schabowskis Zettel
ist UNESCO-Welterbe
Auf der offenen
Mauer singen, und
feiern dieMenschen,
schwenken
Wunderkerzen.
Peter Brinkmann (Kreis) in der legendären
Pressekonferenz am9. November 1989.
Die Serie online:

express.de/50jahre 

Peter Brinkmann  | brinkmann.peter@gmail.com