Berliner Kurier 1.Januar 2007
Bagdad - Der Diktator stand plötzlich vor mir. Seine Hand war schlaff, die Stimme leise. So traf ich Saddam Hussein am 17. Januar 1993 in einem Krankenhaus in Bagdad.
Stunden zuvor war eine US-Rakete in mein Hotel eingeschlagen. 160 Verletzte, zwei Tote. Blutverschmiert kam ich ins Krankenhaus. Und da stand Saddam plötzlich vor mir. Ein schwacher Händedruck. Mit leiser Stimme fragte er: „Wie geht es Ihnen?“ „Danke, gut so weit.“ „Wie sind unsere Ärzte? Ist alles gut? Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte er dann. „Ja, bitte lassen Sie mich zurück ins Pressezentrum bringen, um über den Angriff erzählen zu können.“ Kurz gab er die Anweisungen. Und begann mit einem ebenso kurzen Vortrag über die „tollwütigen Amerikaner“ (Bill Clinton war Präsident!). Schließlich fragte er: „Was denken Sie darüber?“ Ich sagte: „Machen Sie jetzt Frieden mit Amerika. Es ist Ihre Sache, den Krieg zu beenden.“ Nach knapp zehn Minuten gab er mir wieder die Hand, legte sie auf meine Schulter, ging mit langsamen Schritten. Dieser behäbige Gang ist mir schon einige Monate zuvor aufgefallen, als ich das erste Mal in Bagdad war.
Da sah ich ihn zweimal. Einmal in einem Restaurant, wo er plötzlich auftauchte und ein anderes Mal bei einer Konferenz im Hotel. Er sei ständig unterwegs, wie man mir sagte. Hätte ich nicht gewusst, dass er ein blutrünstiger Diktator war, ich hätte ihn für einen charmanten Mann gehalten. Fünf Jahre (!) später, 1998, bekam ich aus Bagdad die Fotos unserer Begegnung. In einem Lederetui mit persönlicher Widmung.